Nach Fake News kommt Fake Science – Schein-Nachrichten und Schein-Wissenschaften als Marketing-Tricks

Zum Stand des DEAL-Projekts

Auf der einen Seite des Verhandlungstisches sitzen die drei Quasi-Oligopolisten Elsevier, Springer Nature und Wiley. Ihnen gegenüber haben sich ihre Kunden, vertreten durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), zu einer Quasi-Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossen, die nun ihrerseits ihre Marktmacht einsetzt, um bessere Lizenzbedingungen zu erzwingen.
Das Ziel der Hochschulen (bzw. des DEAL-Projekts) ist eine gemeinsame nationale Lizenz für elektronische Wissenschaftsjournale, die auch den Zugang zu Gold Open-Access-Publikationen der Verlage weltweit enthält (nach dem „Publish-and-Read“-Modell). Da eine solche Lizenz Beispielwirkung für andere Länder hätte, weigern sich die Verlage, allen voran Elsevier, hartnäckig zuzustimmen.

Nach zweijährigen Verhandlungen ist noch keine Einigung in Sicht. Nach der letzten, gescheiterten Runde (am 3. Juli 2018, Details) hat Elsevier angekündigt, den Zugang zu seinen eJournals nicht mehr zu verlängern, wenn eine Bibliothek über keine gültige Lizenz mehr verfügt. Viele Bibliotheken haben in Erwartung eines DEALs ihre Lizenzvereinbarungen voriges Jahr gekündigt. (Details)

Unterdessen tut sich eine neue Front auf:

Raubverlage und ihre Fake Science

Der Verlag Omics (indisches Unternehmen) und der Waset-Verlag (ein Anbieter (pseudo)wissenschaftlicher Konferenzen) wurden von investigativen Journalisten von WDR, NDR, SZ und anderen unter die Lupe genommen. (Details auf derstandard.at)

Ihr Ergebnis war, dass man dort gegen eine Artikelgebühr praktisch jeden Unsinn in wissenschaftlicher Gestalt in deren Online-Journals (sogenannte Predatory Journals / Raubjournale) publizieren oder auf schein-wissenschaftlichen Konferenzen vortragen kann.

Raubjournale

Harald Lesch erklärt auf seinem Youtube-Kanal das wissenschaftliche Peer-Review-System und was Raubjournale und deren schein-wissenschaftliche Publikationen sind. (“Fake News in der Wissenschaft – wie Raubjournale täuschen”, Youtube)

Wissenschaftsverlage argumentieren ihre Preise für Lizenzen zum Teil mit den Kosten für die Qualitätssicherung, nämlich das Peer-Reviewing von wissenschaftlichen Aufsätzen. Genau hier setzen die sogenannten Raubverlage an, die ihre Verlagskosten auf Kosten der Qualitatssicherung niedrig halten, dies aber sowohl ihren Autoren wie auch Lesern verschweigen. Dabei nutzen sie das in der öffentlich geförderten Forschung weit verbreitete Prinzip des “Publish or Perish” (“Publiziere, oder Du gehst unter!”) aus, also den Zwang zu möglichst langen Publikationslisten als Karriere-Booster, der ihnen die Autoren zutreibt. Diese bezahlen für die Publikation, wie dies auch bei Open Access-Journalen üblich ist, in der Hoffnung auf eine rasche Publikation in einem referierten Journal.

Neben seriösen und zweitklassigen Wissenschaftlern, die auf solche Praktiken hereinfallen, bieten sich hier auch Möglichkeiten für Betrüger oder solche Forscher, die sich nicht dem wissenschaftlichen Ehrenkodex verpflichtet fühlen, ihren Texten einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. In diesen Kreisen dienen vorgebliche Forschungspublikationen den Werbezwecken ihrer Unternehmen oder Organisationen. Dementsprechend häufig findet man Artikel aus den Bereichen Medizin bzw. Alternativmedizin und Pharmazie, aber auch zum Klimawandel.

Fake Science

Der Vergleich mit Fake News, also vorgetäuschte Nachrichten, um interessierte Leser beim Anklicken auf dubiose Werbeseiten weiterzuleiten, drängt sich auf. Fake Science soll Wissenschaftlichkeit vortäuschen, wo es ebenfalls um die Vermarktung von zweifelhaften Produkten geht.

Wie kann man “Räuber” erkennen?

Wer für seinen wissenschaftlichen Artikel nach einem vertrauenswürdigen Open Access-Journal sucht, kann das Directory of Open Access Journals (https://doaj.org) zurate ziehen.

Wer von einem Verlag aktiv kontaktiert wurde, um dort zu publizieren oder um einen Vortrag zu halten, sollte den Namen mit “Beall’s List of Predatory Journals and Publishers” (https://beallslist.net/) abgleichen.

Weitere Hilfestellung für die Auswahl einer wissenschaftlichen Zeitschrift:

“Im übrigen sei Zweifelnden ein Beratungsgespräch mit einer Bibliothekarin oder einem Bibliothekar ans Herz gelegt – Informationsexperten wissen in der Regel, wem man seine Publikation anvertrauen sollte und wem besser nicht.” (Sven Fund in boersenblatt.net)

Und im übrigen sollte das auch jeder Betreuer wissenschaftlicher Arbeiten wissen und seine Studenten darüber aufklären.

Quintessenz

  1. Es kommt bei der Beurteilung einer Information auch auf die Quelle an!
  2. Es kommt bei der Kommunikation einer Information auch auf das Medium an!
  3. Jeder Bürger sollte ausreichend informationskompetent sein, um Fake News und Fake Science von echten Nachrichten und echter Wissenschaft unterscheiden zu können, zum Beispiel anhand der Quelle, des Mediums oder des Autors.

Anhang

  • 2,3 Millionen wissenschaftliche Beiträge weltweit (laut Weltbank 2016)
  • Elsevier publiziert über 2.500 Journals mit über 400.000 Papers pro Jahr.
  • Omics publiziert rund 50.000 Papers pro Jahr (nach eigenen Angaben für 2016).
  • Insgesamt haben Raubverlage seit 2013 (über 5 Jahre) ca. 400.000 Artikel publiziert.
  • Heute soll es bereits rund 8.700 Raubverlage geben.

 

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